Der erste Ostertag
Fünf Hasen, die saßen beisammen dicht,Es macht ein jeder ein traurig Gesicht.
Sie jammern und weinen:
Die Sonn' will nicht scheinen!
Bei so vielem Regen
Wie kann man da legen
Den Kindern das Ei?
O weih, o weih!
Da sagte der König:
So schweigt doch ein wenig!
Lasst weinen und Sorgen
Wir legen sie morgen!
Heinrich Hoffmann, (1809-1894)
Das Osterei
Hei, juchei! Kommt herbei!Suchen wir das Osterei!
Immerfort, hier und dort
und an jedem Ort!
Ist es noch so gut versteckt.
Endlich wird es doch entdeckt.
Hier ein Ei! Dort ein Ei!
Bald sinds zwei und drei.
Hoffmann von Fallersleben, August Heinrich (1798-1874)
Auf ein Ei geschrieben
Ostern ist zwar schon vorbei,Also dies kein Osterei;
Doch wer sagt, es sei kein Segen,
Wenn im Mai die Hasen legen?
Aus der Pfanne, aus dem Schmalz
Schmeckt ein Eilein jedenfalls,
Und kurzum, mich tät's gaudieren,
Dir dies Ei zu präsentieren.
Und zugleich tät es mich kitzeln,
Dir ein Rätsel drauf zu kritzeln.
Die Sophisten und die Pfaffen
Stritten sich mit viel Geschrei:
Was hat Gott zuerst erschaffen
Wohl die Henne? Wohl das Ei?
Wäre das so schwer zu lösen?
Erstlich ward das Ei erdacht:
Doch, weil noch kein Huhn gewesen,
Schatz, so hat der Hase es gebracht.
Eduard Mörike (1804-1875)
Ostereiermalen
Zum Beispiel können wir ewig langedasitzen und Eier bemalen zu Ostern.
Feder, Wachs und Flamme - mythisches
Requisit, Tönung der Zwiebel, Farbe
des Grases, der Rinden verschieden
gefiltertes Schwarz, gekeltertes Grün -
wir zaubern, behende in Händen
wendend das Urei elementar, punktieren
mit Impulsen den Ei-Äquator,
ketten die Serien der Wolfszahnreihen
meridional, blendende Kompaßnadeln,
am magischen Kraftfeld gerichtet
hin zu den Blickpolen, wo die Rosetten
der Sonnen uns zweisam verstrahlen
unter den Augen, bezaubert vom Mysterium
der federführend Zeichnenden, der
Ackerbauer-Ahnen Myriaden. So
bannen wir die Wiederkehr der Zeiten,
die Symmetrie der Ereignisse,
das Gleichgewicht der Generationen,
die Proportionalität der Geschichte,
die starre Harmonie der Welt
(die Wölfe sollen nicht kommen,
die Sonnen sollen scheinen) -
und tun dann das einzig Vernünftige:
Wir haun ihn auf zu Ostern, diesen
steinzeitlichen Dämonenkult-Fetisch,
entkleiden ihn seiner schönen Schale
und verdauen den Inhalt.
Nun geschieht die erstaunliche Verwandlung -
es kommt zur Auferstehung des Eies:
Ungestümer pickt uns das Herz gegen die Rippen,
in unsern Hälsen hockt ein lockrer Hahnenschrei,
fröhlicher brechen wir aus den Eierschalen
hinter den Ohren, wir brechen aus
in das berühmte Ostergelächter:
Sehn wir nicht aus wie aus dem Ei gepellt -
wir, der einzig göttliche Hahnentritt
am Sonnendotter, raketenschnäblig schon
zerhacken wir die Schalen des Himmels,
Menschheit kriecht aus dem Ei.
(1967)
Aus: Kito Lorenc, Wortland. Gedichte aus zwanzig Jahren. Leipzig: Reclam 1984, S. 36f.
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